Das so genannte “Spätrömische Bauwerk“ in Mytilene befindet sich im Hof der Kathedrale von Agios Athanasios. In der Antike entsprach der Standort dem südlichen Teil des Ostufers des Euripos, der natürlichen Meerenge, die die beiden Häfen der Stadt verband. Die Stätte wurde zwischen 1973 und 1974 vom Archäologischen Dienst anlässlich des Baus des Byzantinischen Museums identifiziert und ausgegraben; weitere Arbeiten wurden zwischen 2010 und 2015 im Rahmen des Projekts zur “Vereinheitlichung der archäologischen Stätten der Stadt von Mytilene“ (ESPA-Förderprogramm 2007-2013) durchgeführt.
Es handelt sich um ein monumentales, öffentliches Gebäude der Spätantike im Basilika-Stil (Breite: 17 m. und maximale freigelegte Länge: 15,4 m.), das in Fragmenten erhalten ist. Der ausgegrabene Teil besteht aus einer breiten, erhöhten, halbkreisförmigen Nische im Norden und einem rechteckigen Raum (Dromikon-Schema) mit gewölbtem Dach und seitlichen Eingängen im Süden. Ein marmorner Stylobat mit sechs rillenlosen Säulen umgibt die Nische im Inneren, während zwei gegenüberliegende Sockel mit einem Säulen- oder Stützpfeilerpaar die Enden der Nische bilden. In der Mitte des halbrunden Raumes befand sich ein niedriger Altar. Die Wände waren grünlich und rot gestrichen, während der Boden mit Platten mit geometrischen Motiven ausgelegt war. Unter den Marmorfundamenten des südlichen, rechteckigen Raums wurden drei übereinander liegende Mosaikböden aus früheren Bauphasen freigelegt. Besonders hervorzuheben sind der untere Boden mit einem Rautengitter (1. – 2. Jh. n. Chr.) und der unmittelbar darüber liegende Boden (3. – 4. Jh. n. Chr.), der mit geometrischen und floralen Motiven verziert ist.
Aus den verschiedenen Hinterfüllungen der Stätte stammen bewegliche Funde (Keramik, Knochenschmuck, Münzen), aber auch architektonische Überreste (Teile eines Epistyls mit Blumenornamenten) und ein Mosaikwerk aus spätklassischer Zeit, die nicht mit dem Gebäude in Verbindung zu stehen scheinen. Diese Tatsache und die fragmentarische Erhaltung des Gebäudes erschweren das Verständnis seiner Nutzung und seine sichere Datierung. Es lassen sich vier Bauphasen unterscheiden: Die erste stammt aus dem 1. bis 2. Jh. n. Chr., während die am besten erhaltene und letzte Reparatur in das 5. bis 6. Jh. n. Chr. datiert wird. Heutzutage ist die archäologische Stätte durchgehend geöffnet und für das Publikum zugänglich.